Utrecht – Töfte war gestern!
Utrecht – Töfte war gestern! Nun, es ist manchmal anderes als man denkt. Hat sich das Wort „Geil“ bis heute irgendwie auf Nummer eins der allgemeinen Umgangssprache gehalten, so erstaunter werden die Gesichtszüge, wenn der Ursprung des Wortes erklärt wird.
Die Grundbedeutung des Wortes „Geil“ geht auf das indoeuropäische “ghoilos” zurück, was so viel heißt, wie: aufschäumend, heftig, übermütig, ausgelassen oder lustig. Auch im Althochdeutschen, ca. 8. Jahrhundert, benutzte man „Geil“ für: übermütig, überheblich oder erhoben. Ab dem 15. Jahrhundert bis ca. ins 20. Jahrhundert, wurde der Begriff als: lüstern, sexuell oder erregt umfunktioniert. In den 80ern – bis heute, hat sich das Wort schon fast vollständig migriert. Es steht für sehr gut, großartig, beeindruckend oder klasse. In der jüngsten Variante „Leider Geil“.
Randnotiz: Ich bin übrigens felsenfest davon überzeugt, dass die 68er Fraktion ihr Lieblingswort „Töfte“ noch manchmal mit einem Kissen vor dem Mund laut in sich hineinruft, um den Rebell in sich weiter zu Reanimieren
Heute möchte ich eine These aufstellen, warum das Wort „Geil“ nicht aussterben will! Schuld daran sind eigentlich die Niederländer! Egal wo man in diesem Land hinkommt, gibt es genug Anlässe dieses Wort zu benennen! Ein Amerikaner hingegen benennt das Wort „Geil“ in seiner Landessprache anders! Er hat es zu einem Universalwort gemacht. Awesome, so lautet das Wort, welches ich heute auf meiner Radtour in Utrecht gefühlt 100-mal gehört habe, insbesondere in ihrer ausgeprägten Variante: This is Fucking Awesome! Nur ein törichter Zeitgenosse würde versuchen diesen amerikanischen wortgewandten Kraftausdruck zu vereiteln, denn: recht haben und Recht kriegen, kann auch hier juristisch nicht mehr unterlaufen werden!
Meine Tour begann in der Ortschaft Breukelen in Richtung Loenen aan de Vecht. Wo in Teilen vom Ruhrgebiet oder Berlin der soziale Wohnungsbau allgegenwärtig jedes noch so abgehärtete Auge in Sekunden lähmt, so schafft es die Ortschaft Breukelen dem Auge auch etwas Ungewöhnliches anzutun. Wie in einem Neubaugebiet wimmelt es hier anstelle von Neubauten nur so an Schlössern, Villen und Landhäusern der Superlative. Der frühere Handel zwischen den Niederlanden Indien und Ostasien hat viele Kaufleute sehr reich gemacht. Wer damals was auf sich hielt, baute eine Villa in mitten ausgedehnte Parklandschaften direkt am Fluss. Es gibt weit mehr als 50 solcher Anwesen zu bestaunen und die eine oder andere Villa steht sogar zum Verkauf. Als möglicher Exspektant, sollte man aber schon über ein bisschen Kleingeld verfügen!
Ich so: Only got twenty dollars (Euro) in my pocket – This is Fucking Awesome !
Interessant ist übrigens auch das primäre Gewerbe vor Ort. Im Ruhrgebiet sind es die vielen kleinen Autohändler. – hier in Breukelen kann man sich an jeder Ecke ein kleines Boot oder eine dicke Yacht kaufen. Der Schauplatz jener Händler aus Deutschland und den Niederlanden ist hingegen fast gleich. Üppige Girlanden-Dekorationen sollen auch hier vor Ort den Käufer locken! – Über die Loosdrechtse Plassen ging es weiter in Richtung Utrecht. Die Loosdrechtse Plassen sind bekannt als Wassersportgebiet. In den ruhigen Teilen wie dem Vuntus und Breukeleveense Plas leben viele Wasserpflanzen und Vögel. Loosdrechtse Plassen ist ein Sammelbegriff für alle Seen rund um Loosdrecht, wie Wijde Blik, Vuntus, Loenderveense Plas und Breukeleveense Plas. Eine sagenhafte Idylle!
Kommt man über Schloss Zylen in Utrecht an, so gewinnt man mit seinem Herz schnell die Innenstadt. Vieles erinnert an Amsterdam, nur alles ist kleiner und kompakter. Die Grachten hingegen liegen relativ tief, so das sich im unteren Teil eine schöne Gastronomie direkt am Wasser gebildet hat.
Baff macht einen aber der neue Bahnhof, der extrem modern anmutet. Damit die Radfahrer die Gleise passieren können, hat man hier eine architektonische Ikone geschaffen. Die Moreelse Brug. Es ist eine Art „Super Brücke“ auf denen Bäume gepflanzt sind und der Radweg separat gekennzeichnet ist. Wer zu faul ist die Stufen zu laufen, kann auch (wie selbstverständlich) einen Fahrradaufzug benutzen. Alles ist dort „picobello“, und man merkt deutlich, dass die Einwohner Ihre Stadt lieben und schätzen. Graffiti [Ich liebe Streetart!] oder irgendwelche „Penner-Ecken“ sucht man hier glücklicherweise vergebens. Im Anbetracht das die Stadt Utrecht ca. 200.000 Einwohner weniger hat als Duisburg, ist Utrecht schon eine verdammt GEILE Stadt, und mit Ihrem super modernen Bahnhof bekommt das ganze schon fast Metropolen Charakter!
Das höchste der Gefühle ist für mich aber die Daphne Brug. Hier neigt mein Fahrradherz zu kollabieren. Die Daphne Brücke ist eine Rad- und Fußgängerbrücke über den Amsterdam-Rhein-Kanal. Sie verbindet die Ortschaften Oog in Al mit Leidsche Rijn und ist damit Teil des Radweges zwischen Leidsche Rijn und dem Zentrum von Utrecht. Tausende von Radfahrern und Fußgängern pro Tag machen sich diese Brücke zunutze und wenn man glaubt, es geht nicht besser dann wird man sowieso eines Besseren belehrt!
Der Niederländer würde für den weiteren Textverlauf jetzt die Wörter LET OP! Benutzen:
Eine Rad- und Fußgängerbrücke von diesem Ausmaß ist meiner Meinung nach in Deutschland überhaupt nicht denkbar. Kosten und Nutzen würden innerpolitisch bewusst totdiskutiert werden! Und wo wir als heimische Radfahrer noch für einen funktionellen Radweg beten oder noch einen Funken Glauben in die zukünftige Fahrrad-Infrastruktur investieren, so hat es Utrecht bereits geschafft der gesamten Daphne Brücke eine Fußbodenheizung gegen Glättegefahr zu spendieren! Spätestens JETZT sollte einem klar werden, das ich mich in Utrecht vorkomme wie bei Raumschiff Enterprise auf der Kommandobrücke, währenddessen in Deutschland noch die Erfindung des Rads gefeiert wird!
Und ja: Jetzt darf auch mal Laut das Wort „GEIL“ [für die 68er Fraktion OHNE Kissen das Wort „Töfte“] laut ins platte Niederländische Land (Oder am heimischen PC) gebrüllt werden!
Hat man die körperliche und innere Freude an der Daphne Brücke überlebt, so geht es weiter nach in Richtung Maarsen. Die ganze Strecke ist sehr idyllisch und lässt kein niederländisches Klischee offen. Mühlen, kleine Bäche, niedliche Brücken und das typische maritime Kleinstadtbild sind allgegenwärtig. Auch gibt es auf der Tour mehrere alte Forte (ehem. Befestigungsanlage) zu sehen.
Aus Maarsen heraus, entlang der Vecht, oder besser gesagt entlang den Villen an der Vecht geht’s wieder in Richtung Breukelen.
Fazit :
Eine Traumstrecke -Leider Geil! Oder wäre Episch das neuere Wort?“