Fahrradparadies Achterhoek
Fahrradparadies Achterhoek. Heute begebe ich mich wieder in den Achterhoek. Jedoch in den nördlichen Teil bei Ruurlo, wo auch meine Tour beginnt. Ruurlo liegt der Provinz Gelderland (im Osten von den Niederlanden)und ist ein Teil von mehreren zusammengeschlossenen Gemeinden, die heute die Gesamtgemeinde Berkelland ergeben. Das Besondere an dem Achterhoek ist seine außergewöhnliche Region, denn fast nirgendwo gibt es „Im kompakten Sinne“ so viel üppige Vegetation, Wälder, Ackerland, Landgüter und historische Schlossanlagen.
Der Achterhoek ist ein wenig eigenwillig, das Dorfleben sehr gefestigt aber der Humor gewöhnungsbedürftig. Wer mit seinen niederländischen Grundsprachkenntnissen meint, er könne dort einen netten Plausch mit den Einwohnern halten, wird schnell merken, dass ein eigenwilliger Dialekt vor Ort, doch so manche Fragen aufwirft. Vorab ein kleiner Tipp aus einer vergangenen Tour, der den Achterhoek nicht besser beschreiben könnte.
Schloss Ruurlo ist mein erstes Ziel und gleichzeitig das wohl auch bekannteste Schloss in der Region. Mittlerweile ist das unter Denkmalschutz stehende Gebäude seit 2017 zu einem Museum umgebaut worden, und bietet neben dem herrlichen englischen Parkanlagen auch eine sehr bekannte Orangerie sowie eine gehobene Gastronomie. Besonders auffällig ist der linke Eingang vom Schloss Ruurlo. Teil der Sanierung ist eine Glas-Eingangsbrücke mit Edelstahlkonstruktion mit einer Spannweite von 32 Metern. Der Glasboden besteht aus graviertem Anti-Rutsch-Glas, während die Balustraden einen Siebdruck mit einem Schilfmuster aufweisen. Schloss Ruurlo ist magisch, historisch und extravagant und beherbergt mit Werken von Carel Willink, einem Großmeister des Neorealismus sehr spannende Kunst, die jederzeit besucht werden möchte.
Im Stadtkern von Ruurlo macht eine eigentlich typisch anmutende niederländische Windmühle auf sich aufmerksam. Es ist die Mühle Agneta. Seit 1851 bestehend wurde diese ehemalige Korn- und Ölmühle vielfach Restauriert. Agneta ist eine sogenannte Turmmühle mit einem runden Steinrumpf, einem Holzgerüst mit Streben und einem hölzernen Strohdach. Die Mühle besteht aus sechs Etagen und dient seit 1918 als Sägewerk, da damals in der Raps- und Getreideverarbeitung nicht mehr genügend Arbeitsplätze vorhanden waren. Mit ihrer Höhe von 25 Metern und den vier 11 Meter langen Klingen (Flügeln) wird die Windmühle noch heute von Stiftung „Die Freunde der Mühle“ als Sägewerk betrieben. Die freiwilligen Mitglieder sorgen dafür, dass sich die Schaufeln der Mühle regelmäßig drehen und die Mühle zu bestimmten Zeiten für die Öffentlichkeit zugänglich ist.
Von Ruurlo aus geht es weiter über die Länder in Richtung Twentekanaal. Die Wege sind in einem hervorragenden Zustand und überall gibt es etwas zu sehen. In den Niederlanden ist der Radverkehr meist vom Autoverkehr getrennt. Damit Schnellstraßen oder Autobahnen möglichst störungsfrei vom Radfahrer passiert werden können, gibt es viele Unterführungen. Oftmals wird aber auch die Autostraße bereits bei der Planung zu einer Brücke umfunktioniert, sodass die Radler ohne es wirklich zu Merken die Straße “überqueren” können. Auffällig sind auch die kleinen schön hergerichteten Einkaufsstände vor diversen Bauernhöfen oder Häusern. Hier bietet man dem Passierenden die Möglichkeit, gegen eine kleine Gebühr im Selbstbedienungsverfahren, frische Waren aus der Region (direkt vom Erzeuger) zu erwerben. Die Auslagen sind mit viel Liebe zum Detail dekoriert und auch ich kann mich dem ein oder anderen neugierigen Blick kaum widersetzten.
Ich erreiche den Twentekanal. Der Twentekanal führt von Eefde (in der Nähe von Zutphen) über Hengelo nach Enschede, mit einer Abzweigung nach Almelo. Der Kanal ist eine wichtige Transportroute für die Industrie in Almelo, Hengelo und Enschede. Die Region hat etwa 45 wassergebundene Unternehmen, die 5.000 Mitarbeiter beschäftigen. Jedes Jahr passieren ca. 12.000 Frachtschiffe mit 19 Millionen Tonnen Fracht die Wasserstraße. Diese Mengen entsprechen etwa tausend LKW´S oder achtzehn Güterzüge pro Tag. Der Kanal wird derzeit an verschiedenen Stellen vom staatlichen Betreiber “Rijkswaterstaat” modernisiert. Er wird nicht nur ausgebaggert, auch die Spundwände werden ersetzt und die Ufer werden naturfreundlich umgestaltet.
An der Dochterensenbrug am Twentekanal mache ich meine erste Pause. Mit dem Ausbreiten einer kleinen Decke auf der „Auenwiese“ mache ich jedoch unfreiwillig die Feststellung, dass dieser Platz wohl ein spezieller „Hundeplatz“ sein muss. Übersät von Hundekot und den typischen „Nassgeruch“ von Fell verlasse ich quasi fluchtartig das „Hundeterritorium“ um dann auf der Brücke einen kräftigen Schluck aus der Kaffeetasse zu nehmen. Hoch lebe das unübertroffene Kaffeearoma!
Ich fahre weiter über tolle Feldwege und kleinen Waldpassagen. Nach einer kleinen Hebebrücke über den Fluss Berkel wird der Weg jedoch kurzweilig recht schmal. Hier heißt es für mich absteigen, den viele Wanderer und Fußgänger teilen sich vor Ort den kleinen Trampelpfad. Hier am Fluss Berkel ist es sehr idyllisch. Die Spätsommerhitze lädt zum Baden ein und die Felder und Wäldchen leuchten in ihren grünsten Farben. Die Wege wechseln nun regelmäßig von toll ausgebauten Radwegen in schmalen „Pättkes“.
Zu sehen gibt es mehr als genug. Viele Sichtachsen lassen einen besonderen Blick in die Achterhoecker Natur zu und hier und da gibt es am Wegesrand ein Strohaufbewahrungs-Häuschen. Diese Häuschen haben ein variables Dach. Werden die Speicher mit Stroh gefüllt, so kann das Dach nach oben positionieren werden, um weitere Strohballen zu stapeln. Wände gibt es keine, so kann das Stroh durch den Wind gut durchlüftet werden und das Dach schützt vor Regen. Auch trifft man auf oftmals auf pittoreske „Gartenpavillons“ nahe an Flüssen gelegen. Dieser Anblick, der einem gemütlichen Teehäuschen ähnelt täuscht, denn im inneren Beherbergen sich meist Pumpen, die zur Entwässerung zuständig sind.
Nach einer Weile, auch durch Wäldchen, erreiche ich das Herrenhaus „Den Bramel“ was wie ein eigenständiges Schlösschen anmutet. Alle Dachflächen sind mit Schiefer gedeckt. Dachreiter mit gewölbter Krone mit Glocken und Aufschrift “Soli Deo Gloria 1735“
>> Soli Deo gloria ist eine der wichtigsten Lehren, die während der protestantischen Reformation hervorgehoben wurden. Soli Deo gloria trennt zusammen mit den anderen vier Solas der Reformatoren das biblische Evangelium von falschen Überzeugungen. Das lateinische Wort soli bedeutet “allein“ oder “nur“ (soli ist die Wurzel unseres englischen Wortes solitary); und der Ausdruck Deo gloria bedeutet “die Herrlichkeit Gottes“. Soli Deo gloria bedeutet also „nur zur Ehre Gottes“>> Quelle: gotquestions.org
Das Schloss / Herrenhaus ist ein beliebter Fotohotspot. Der Reiz, der diese Gebäude ausmacht ist nicht weniger das Alleinstellungsmerkmal in der Natur, vielmehr interessant ist es von kulturhistorischer und architektonischer Bedeutung. Die gut erhaltenen Elemente aus dem 17. bzw. die ergänzenden Baumerkmale aus dem 19. Jahrhundert machen dieses Anwesen wahrlich einmalig.
Wer jetzt noch nicht genug von Schlössern hat erfreut sich nach nur wenigen Kilometern über eine weitere tolle Wasserburg – Es ist die Schlossanlage Vorden. Das Schloss ist kein Museum, sondern ein sehr charmantes und authentisch eingerichtetes Haus, in dem die Eigentümer als normale Menschen arbeiten und leben. Und ja, es kann besucht und besichtigt werden. Besonders hervorheben möchte ich jedoch den wunderschönen kleinen Park, der direkt am Schloss grenzt. Hier gibt es auch ein tolles Restaurant mit einer liebevoll gestalteten Außengastronomie. Hier kehrt man gerne ein, denn der Wohlfühlfaktor ist dort nahezu unerreicht!
Im letzten Teil meiner Tour erreiche ich noch ein weiteres Herrenhaus, welches seine Geschichte nicht jedermann sofort preisgibt. Es ist das bekannte Landhaus „De Kieftskamp“. 1626 wurde zum ersten Mal das Wort Kieftskamp erwähnt, obwohl das Landhaus selbst aus 1776 ist. Der Namensträger ist der Vogel Kiebitz (NL: Kievit) der aber umgangssprachlich „Kieft“ ausgesprochen wird. Eine Stuckdecke im Inneren des Hauses zeigt noch heute zwischen Blumenornamenten den Kiebitz. Früher waren sehr viele Kiebitze in der Region beheimatet, da die Böden durch ihre ständige Nässe einen idealen Lebensraum boten. Heute ist der Ruf eines Kiebitz seltener zu hören denn die Nutzung der Flächen rund um „De Kieftskamp“ haben im Verlaufe der Zeit den Böden das Wasser und den Vögeln ihre Heimat genommen.
Ein wenig Idylle bleibt mir noch, bis ich zum Schluss meiner Route die „De Lindesche Molen“ erreiche. Die De Lindsche Molen ist eine ehemalige Kornmühle, wo heute jedoch ein kleines Theater im unteren Bereich integriert ist.
Fazit:
Der Achterhoek – einzigartig für den Radwanderer sowie voll gespickt mit vielen kleinen Geschichten und Anekdoten. Ein wahres Fahrradparadies!
One Comment
Eva Vida
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