Radpilgerwege Rhein Maas – Etappe 3 v. 10
Radpilgerwege Rhein Maas – Etappe 3 v. 10 Heute ist es sehr bewölkt, die Erwartungshaltung auf einen regenfreien Tag ist sehr hoch und gleichzeitig weht ein kräftiger kalter Wind. Die Voraussetzung die 3. Etappe des Pilgerweges anzugehen ist damit noch im grünen Bereich, sodass ich gegen Mittag mit meinem Drahtesel die ehemalige Weber Stadt Goch verlasse. Glücklicherweise hat sich das Hochwasser der Niers wieder zurückgezogen. Somit bleibt dieser wunderschöne Fluss eine lange Zeit mein stetiger Begleiter.
Eine kleine hübsche orangefarbene Fußgängerbrücke am Gocher Entenpark leitet für mich den Beginn des Pilgerweges ein und die erste kleine Passage nach 2 km wird durch einen wunderschönen Rad-Wanderweg mit dem Namen „Papa – Klein“ Wanderweg eröffnet.
Johann Rudolf Klein geboren am 5.1.1871 in Kleve, war ein Natur- und Heimatfreund und förderte die Jugend, und war der wegweisende Initiator vieler heutiger Vereine. Papa Klein wie die Gocher Jean Klein bald nannten, gründete 1932 gemeinsam mit dem Verkehrsverein Goch eine Wandergruppe wo er als Wegwart und Wanderführer ein besonders Amt vollzog. In Erinnerung an die zahlreichen Aktivitäten von Jean Klein benannte die Stadt Goch einen Teil des Niers Wanderweges 1971 „Papa-Klein-Wanderweg”. Der Weg entlang der Niers ist und bleibt einzigartig. Gerade die verschiedenen Jahreszeiten lassen den Niers Wanderweg immer aufs Neue wirken. Obwohl der „Papa Klein“ Wanderweg nur ein Kleinstabschnitt an der Niers darstellt, ist er mit diesem Abschnitt vielleicht der schönste in der Gocher Region.
Ich erreiche einen kleinen Waldabschnitt mit dem Namen Kalbecker Forst. Hier sieht es stellenweise sehr wild aus. Ob es noch die Schäden aus dem Jahre 2007 sind, wo der Orkan Kyrill sein Unwesen trieb, mag ich nicht beurteilen, aber viel interessanter ist die Tatsache, dass es hier mal eine alte, sehr bedeutenden Bahnverbindung gegeben hat. Die Boxteler Bahn.
Die Boxteler Bahn wurde am 28. Mai 1869 von niederländischen und deutschen Aktionären in Rotterdam unter dem Namen „Noord-Brabantsch-Duitsche Spoorweg-Maatschappij“ (NBDS) als private Eisenbahngesellschaft gegründet. Sie verlegte später ihren Sitz in die nordlimburgische Gemeinde Gennep. Von den Niederlanden und Preußen erhielt sie die Konzession zum Betrieb einer knapp 100 Kilometer langen Bahnstrecke von Boxtel in der niederländischen Provinz Noord-Brabant über Schijndel, Veghel, Gennep, Goch, Xanten und Büderich nach Wesel (deutsche Konzession vom 14. Januar 1873). Quelle: Wikipedia
Am 28. Mai 2011 – und damit fast auf den Tag genau 133 Jahre nach der offiziellen Eröffnung des deutschen Teils der Eisenbahnstrecke, wurde die Boxteler Bahn erneut freigegeben – diesmal allerdings als Erlebnis-Radroute. An besonderen Orten wie auch hier im Kalbecker Forst, weisen Informationstafeln auf historische Ereignisse in der Geschichte der Boxteler Bahn hin.
Ich fahre kurz über eine Landstraße, um wieder meinen Weg an der Niers zu finden. Die Streckenbeschaffung ist durch das vergangene Hochwasser stellenweise sehr weich. Da wo der Weg verdichtet und bereits getrocknet ist, klaffen stellenweise große Schlaglöcher. Die Schlaglöcher sind die Folge von Unterspülungen der Mäuse- oder Nutriabehausungen.
Am Ufer der Niers sieht man viele solche Löcher, die links und rechts tief in die Erde hineinreichen. Auch wenn die Tiere hier „Zuhause“ sind, bereiten die Löcher dem Niersverband schon so manche Sorgenfalte auf dem Kopf. Die Uferbefestigung sowie die Rad- und Wanderwege entlang des Stroms leiden stellenweise stark an dem natürlichen Verhalten der Tiere.
Bis auf dem Wind ist es sehr ruhig am Niersgewässer. Ist im Sommer der Fluss für seinen Paddeltourismus bekannt, so sind jetzt im April nur ein paar vereinzelte Fußgänger anzutreffen. Die Ruhe kommt gelegen, sie gibt Zeit ein wenig in sich zu kehren, zu reflektieren.
Gerüchteküche: Viele Menschen zieht es bei Sonnenschein an die Niers. Schon seit Beginn des 19. Jahrhunderts brodelte die Gerüchteküche über die Eigenart des Flusses. Einer Sage nach sollen entlang der Niers schon zahlreiche feste Freundschaften entstanden sein. So wird behauptet das man seine Freundschaften für immer festigenkann, indem man bei Sonnenuntergang ein Papierschiffchen mit den Namen seiner Freunde zu Wasser lässt. Man munkelt, das schon viele Menschen auf dieser Art ihre Freundschaft für immer besiegelt haben.
Kurz vor Weeze erreiche ich in einem winzigen Waldstück eine sehr schön gestaltete Kriegsgräberstätte. Hier werden seit Ende des Krieges, genauer genommen mit der Rückkehr der evakuierten Weezer Bevölkerung im Jahre 1945, die gefallenen Soldaten zusammengebettet. „Sandberg“ heißt dieser Platz, der im Krieg schwer umkämpft war. Wo die toten Soldaten einst unbeerdigt in den Wäldern, Feldern, Wiesen und unter den Trümmern der Häuser begraben wurden, hat man sie mithilfe dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge wieder zusammengeführt. Heimische Heideblüte dominiert das leicht wellige Gelände, in Ihr die kleinen Steinkreuze.
Mittelpunkt der Anlage ist eine mächtige Hochkreuzgruppe, die sich auf einem steinernen Rundsockel erhebt. Daneben (jetzt im April leider noch ohne Blätter) ein Ginkgo Baum- der mit seinen in sich geteilten Blättern nur in einer männlichen und weiblichen Form existieren kann. Nur im Miteinander kann er sich vermehren; dies machte ihn dann auch zum Symbol für Zuwendung und Gemeinsamkeit. “Die Einheit in der Zweiheit – das Symbol des Ginkgoblatts”
An vielen Krieggräberstätten kann man einen solchen Ginkgo Baum sehen! Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832), der deutsche Dichter und Naturforscher war es, der den Ginkgobaum sogar ein Gedicht widmete.
Ich erreiche die kleine Ortschaft Weeze. Durch seinen etwas abseits gelegenen Flughafen mit dem Namen „Flughafen Niederrhein“ oder „Airport Weeze“ ist Weeze auch weit über seine Grenzen hinaus sehr bekannt. Ich bleibe auf dem Pilgerweg, sodass ich das Stadtzentrum umfahre. Am Rande von Weeze gibt es eine relativ große Sport – und Parkanlage. Ein großer Spielplatz und ein daneben liegender Tierpark laden die Familien zu Ausflügen ein.
Etwas danebengelegen, das Schloss Hertefeld, welches heute als Luxus Hotel fungiert. Was eins eine verkommene Ruine war, wurde Mitte der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts nach und nach wieder aufgebaut. Einer Idee aus dem Jahr 1947 folgend, wurden der historische Hauptturm und der Mitteltrakt Schlosses Hertefeld durch die mittlerweile 23. Familiengeneration wiedererrichtet. Als Besonderheit beherbergt es einen großzügigen Kaminsaal und ein eindrucksvolles Kreuzgratgewölbe mit vorgelagertem „Zarenzimmer“.
Auch der Schlosspark wurde saniert und gilt heute ein Tipp für Veranstaltungen, Tagungen oder Hochzeiten.
Am Rande des Tierparks steht aber die Fledermaus im Vordergrund. Unter dem Motto: „Welche Fledermaus fliegt denn hier?“, wird der Pilgerweg auch automatisch Teil zu einem Fledermaus-Infopfad. Ein alter Trafoturm, ein steinerner Zeitzeuge gewissermaßen, der davon erzählt wie der Strom raus aufs Land kam, dient heute als Unterschlupf für die Tiere. Ein Wildgehege mit Damwild entlang des Pilgerweges bildet den Abschluss vom Tierpark, und nach ein paar hundert Metern -rückblickend-, verabschiedet sich Weeze mit einer tollen Sichtachse an der Niers.
Sind es normalerweise Felder oder typische Gestrüpp die den Radler an der Niers begleiten, so beginnt hinter Weeze ein Wäldchen. Man erkennt sofort, dass hier der Wald sehr gut bewirtschaftet wird. Recht gelegen bäumt sich langsam mit der gleichbleibenden Geschwindigkeit des Rades das große Wasserschloss Wissen auf.
Schloss Wissen, der Stammsitz der Familie von Loë, ist einer der bekanntesten Adelssitze am Niederrhein. Die weitläufige Schlossanlage blickt auf eine Jahrhunderte lange Geschichte zurück, die im 12./13. Jahrhundert mit dem Bau eines Wehrturmes (heutiger Südflügel des Haupthauses) begann. Im Laufe der Jahrhunderte wurde das Haupthaus um eine dreiflügelige Vorburg ergänzt und immer wieder dem Geschmack der jeweiligen Zeit angepasst. Seine jetzige Form verdankt Schloss Wissen einer umfassenden Restaurierung in den Jahren 1969 bis 1973. Vor den Toren des Schlosses liegt die Historische Wassermühle.. Der Blick ins Grüne und auf die Vorburg des Schlosses verleiht der Historischen Mühle zusätzlichen Charme. Quelle: Schloss Wissen
Neben dem Hauptgebäude gibt es noch: eine Remise, (Schuppen) ein Schreinerhaus, Gärtnerhaus, Bienenhaus, Müllerhaus sowie ein Schmiedehaus. Auch hat Schloss Wissen einen echten Prinzessinnen Turm. Hier kam ebenfalls ein ehemaliger Trafoturm zum Einsatz.
Seit 1450 unterhält die Familie von Loë auf Schloss Wissen ihren Stammsitz. Kern der Anlage, die mehrfach um- und ausgebaut wurde, war ein wasserumwehrter Wohnturm. Ab 1850 ließen Graf Max von Loë und seine Frau Therese die Anlage neogotisch überformen und die Schlosskapelle als Symbol für den Widerstand der katholischen Rheinprovinz gegen das protestantische Preußen errichten.
Die von 1876 bis 1878 von dem Kölner Dombaumeister Vinzenz Statz auf Pfeilern über dem Burggraben errichtete Schlosskapelle ist ein bedeutendes, bis heute fast unverändert erhaltenes Beispiel neogotischer Sakralarchitektur am Niederrhein. Der Bau wurde in regionaltypischem Backstein errichtet. Die Kapelle steht auf einer Holzpfahlgründung und in Feldbrandstein gemauerten Rundbögen auf rechteckigem Grundriss. Quelle: Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Weiter entlang dem Niers Weges erkenne ich nach ein paar Kilometern die St. Antonius-Kirche von der bekannten Wahlfahrtstadt Kevelaer.
Während des Dreißigjährigen Krieges vernahm der Handelsmann Hendrick Busman kurz vor Weihnachten 1641 inmitten der Kevelaerer Heide nahe eines Hagelkreuzes eine Stimme: „An dieser Stelle sollst du mir ein Kapellchen bauen.“ Als er dieselben Worte noch an zwei weiteren Tagen an dieser Stelle vernahm, stand sein Entschluss fest. Obwohl er nur über geringe Mittel verfügte, führte er den Auftrag aus und baute ein Heiligenhäuschen.
Dieses baute er nach einer Beschreibung seiner Frau Mechel, die eines Nachts eine Erscheinung hatte, in der sie das Kapellchen mit dem Marienbild vor sich sah. Das kleine Bildchen von „Unserer Lieben Frau von Luxemburg“ hatten zuvor zwei Soldaten versucht an Mechel zu verkaufen – allerdings erstmal erfolglos. Nachdem das Bildchen Mechel im Traum erschienen war, machte sie sich auf die Suche nach den Beiden und kehrt mit dem Marienbild zurück. Im Jahr 1642 wurde es in einen Bildstock in dem kleinen Heiligenhäuschen eingesetzt. Und dort ist es bis heute geblieben.So begann die Geschichte der Wallfahrt nach Kevelaer. Heute ist die Wallfahrtsstadt Kevelaer einer der größten und bekanntesten Marienwallfahrtsorte Deutschlands. Quelle: Stadt Kevelaer
Auch ich werde bei Ankunft in Kevelaer durch eine Statue mit den in Stein gemeißelten Worten „PARARE VIAS EIUS“ darauf hingewiesen, wo und wem ich seiner Wege bereiten soll!
Ich besuche die wohl berühmteste sechseckige Kapelle. Das kleine Gnadenbild ist bis heute dasselbe geblieben. Um der Kapelle herum kann man gegen eine Spende auch eine Kerze anzünden. Ansonsten ist ganz Kevelaer auf Wallfahrt getrimmt. Hier gibt es alles, was in irgendeiner Form mit Kirche zu tun hat. Für jeden Touristen, egal ob mit dem Auto, Fahrrad oder per pedes ist diese Stadt (auch neben dem ganzen Wallfahrtsrummel) absolut besuchenswert!
Fazit: Mit Kevelaer habe ich mein drittes Etappenziel trocken erreicht. Als Niederrheiner aus der Umgebung bin ich jedes Mal (auf neue) schwer begeistert wie schön es hier eigentlich ist. Ich freue mich auf Etappe 4!