Duisburg- Reise, Reise – Ofenreise
Duisburg- Reise, Reise – Ofenreise. Als Ofenreise bezeichnet man in der Metall- und Eisenverarbeitenden Industrie die Betriebsdauer eines Schmelz- oder Hochofens von der Anbrandphase bis zum Ausklingen der Verbrennung. Ähnlich gestrickt ist da mein Fahrradherz. Duisburg hat mich mal wieder angefixt.
In einer kleinen Zechensiedlung in Duisburg – Wehofen startet meine Tour und nach wenigen Metern befinde ich mich schon für einen Bruchteil auf der bekannten HOAG – Trasse. Die Bahntrasse der ehemaligen Hüttenwerke Oberhausen Aktien Gesellschaft (HOAG) verbindet den Duisburger Stadtteil Walsum mit Oberhausen Sterkrade. Sie diente ursprünglich dem Kohletransport von der Zeche Sterkrade zum Rheinhafen in Duisburg – Walsum.
Eine Treppe führt mich jedoch schnell wieder von der HOAG Trasse weg, und ehe ich mich versehe befinde ich mich nach 2x Abbiegen im Stadtteil Marxloh. Die Stadt Duisburg besteht aus 46 Stadtteilen, die in 7 Stadtbezirke aufgeteilt sind. Mal schauen ob ich den Durchblick bewahre. Die emotionale Anbrandphase meiner Tour habe ich hingegen erreicht und passiere über einen kleinen Radweg das alte Zechengelände Friedrich Thyssen. Das Gelände wird von einer Moschee begrüßt, und nach ein paar hundert Metern heißt der Ortsteil Duisburg – Fahrn. Ich überquere den Willy Brand – Ring mit der Feststellung jetzt in Duisburg – Schwelgern zu sein.
Hier in Duisburg-Schwelgern betreibt der Stahlkonzern ThyssenKrupp mit seinen 2 Hochöfen – Schwelgern 1 und Schwelgern 2 eins der größten Stahlwerke in Deutschland. Kaum zu Übersehen: Seine fast 250 Meter hohen Kamine. Seit der Inbetriebnahme 1973 verarbeitet der Hochofen Schwelgern 1 Tag für Tag rund 20 Güterzuge á 20 Waggons mit Erz, Sinter, Koks und Kohle und produzierte so bis heute über 115 Millionen Tonnen Roheisen. Im Jahr 2008 hatte er bereits seine 5te Ofenreise hinter sich. Schwelgern 1 prägt die Silhouette von Marxloh, denn er wird auf Grund seiner Bauform auch gerne Schwarzer Riese genannt. Zu Recht! Schwelgern 2 ging 1993 in Betrieb, und hat bereits in 2014 seine erste Ofenreise mit Bravur bestanden. Nach einer 220 Millionen Euro teuren Modernisierung wurde er Ende 2014 wieder angeblasen und zählt somit zum größten Ofen Europas. Neben den Hochöfen befindet sich noch eine Mechanische Hauptwerkstadt, ein Coillager, ein Oxygenstahlwerk, eine Stranggießanlage, eine Kokerei und Sinteranlage sowie diverse kleinere Kraftwerke auf dem Werksgelände.
Ich kehre diesem Werksmoloch den Rücken und schon nach der ersten Biegung – Natur Pur! Ortsteil Duisburg – Alsum. >>Obwohl Alsum seit über 50 Jahren nicht mehr existiert, erinnern sich doch noch viele ältere Duisburger Nordlichter an das einstige Fischerdorf am Rhein. Spätestens, wenn sie zu einem Spaziergang auf den Alsumer Berg aufbrechen, hört man sie Geschichten erzählen – von den Wochenendausflügen ans Wasser, vom Untergang des Stadtteils, von den Zerstörungen durch Bomben.<< Zitat WAZ FUNKE MEDIEN NRW
Schön ist es hier am Rhein, und ich beschließe in Richtung Wasser zu fahren. Unten am Wasser steht der „Mäuseturm“ von Duisburg. Der Mäuseturm ist eine alte ausgediente Wasserpumpanalage. Die neuen – modernen Wasserpumpanalagen stehen in einem schicken Blau-grün – weiss direkt am Wasser. Ich drehe mich um und erhalte am Rhein schon fast etwas Urlaubsfeeling. Was soll ich sagen: Strand, Muscheln und Möwen – und im Hintergrund die Kokerei, die wohl die weißesten aller weißen Wolken aus ihren Schloten produziert.
Am Rhein entlang zu Radeln ist wohl eins der schönsten Momente. Ich merke dass ich so richtig auf „Ofenbetriebstemperatur“ bin. In der Ferne sehe ich schon das nächste Thyssen Werk – Das Warmbandwerk. Die Anlage erstreckt sich auf eine Länge von fast drei Kilometern und bedeckten eine Fläche von rund 200.000 Quadratmetern. >>Im vergangenen Jahr stellte die Anlage ihre insgesamt 200 Millionste Tonne Warmband her, genug Stahl für den Bau von 27.400 Eiffeltürmen. Warmband ist die Basis aller Flachstahl-Produkte<< Zitat : ThyssenKrupp.
Die Schafe jucken diese Zahlen nicht wirklich. Seelenruhig stehen sie hier auf dem Weg, und Grasen unbeeindruckt unter dem gigantischen Unternehmenslogo.
Ich unterfahre die A42 in Duisburg Beeckerwerth und bestaune nicht nur die Autobahnbrücke über den Rhein sondern auch die „Haus – Knipp – Eisenbahnbrücke“ Die Brücke wurde am Ende des Zweiten Weltkriegs gesprengt. Britische Pioniere bauten sie bereits ab 1945 in alter Form mit ihrer charakteristischen Fachwerkbalkenkonstruktion wieder auf. Man übergab sie dem Verkehr am 26. Februar 1946.
Heute wird die Brücke nur noch im Güterverkehr befahren, nach einer längeren Bauphase wurde im Dezember 2012 das zweite Gleis wieder aufgebaut.
Ist man den Deich am Rhein etwa 3km langefahren so kommt man an einer schonen Rheinpromenadensiedlung an. Und im Hintergrund: Das große ThyssenKrupp Kraftwerk „Hermann Wenzel“. Schlagartig muss ich an einem alten Lied von der „Ersten Allgemeinen Verunsicherung“ denken…
Herr Anton hat ein Häuschen,
mit einem Gartenzwerg
und davor,
da steht ein (Kern)Kraftwerk
Das Kraftwerk „Hermann Wenzel“ in Duisburg – Ruhrort verbrennt Gase aus der Stahlherstellung sowie Kokereigase aus der Kokerei Schwelgern. Im Gegenzug zu den Brenngasen werden Hüttenwerk und Kokerei mit Strom und Prozessdampf versorgt. Duisburg – Ruhrort ist für mich eine besondere Stelle. Vom Hafenarbeiter bis zum Banker tummeln sich alle Berufsklassen in dieser Region. Die Region Ruhrort birgt mit seinem größten Binnenhafen der Welt aber noch ein weiteres Mermal: Seit fünf Jahren endet die neue Seidenstraße in Duisburg. Die Seidenstraße ist nicht nur Teil der ältesten Handelsroute der Welt, vielmehr ist sie das größte Projekt welches China in der Neuzeit umgesetzt hat, um einen Warentransport über Land nach Europa zu gewährleisten. Das Projekt “fluppt”, wie sie im Ruhrpott sagen. 35 Züge kommen jede Woche an. Ziel ist es den Transport der Waren auf der Schiene auf 10 Tage zu reduzieren. Dann würde sich auch kein Flugtransport mehr lohnen. Nachteil: Die Anzahl der Züge wird noch mal exponentiell steigen.
Auf einer alten Tour habe ich mir das Areal mal intensiver angeschaut. Bei Interesse einfach mal unter https://fahrradherz.de/duisburg-hafenrundfahrt-schimanski/ schauen!
Das Hafengebiet ist (mittlerweile) hermetisch abgeriegelt, so dass ich über die Hauptstraße nach Duisburg – Meiderich komme. Hier beginnt der „Grüne Pfad“ Der Gründe Pfad ist auch eine ehemalige Eisenbahntrasse die als Radweg umfunktioniert wurde. Kerzengerade führt mich die Trasse weiter durch Duisburg Meiderich, bis ich dann den Landschaftspark erreiche. Der Landschaftspark ist ein altes stillgelegtes Hüttenwerk, welches kostenlos betreten werden kann. Nirgendwo sonst in der Region kann man die Industriekultur so nahe kommen.
Ich entscheide mich dazu den Landschaftpark von der Rückseite zu besuchen, Es ist schon eine tolle Aura die dort erschaffen wurde. Der Grüne Pfad geht im Nachgang wieder in die HOAG Trasse über. Dabei passiert man Duisburg – Neumühl, Duisburg Buschhausen und Duisburg/ Oberhausen- Sterkrade. In Sterkrade befindet sich noch ein Überbleibsel der alten Zeche „ Sterkrade“. Wo das Zechengelände genau verlief kann man nicht mehr erkennen.
Nur eins ist klar: In Anbetracht der ThyssenKrupp Werke wirkt dieser alte Steinkohleförderturm wie ein Hering unter Haien. Aber es ist ein schöner Hering!
Die Tour nähert sich dem Ende, und bis zum Startpunkt sind es nur noch 2 km. Die Hoag Trasse und der Emscher Radweg geben sich stellenweise die Hand. Flux bin ich wieder in Duisburg – Wehofen und stelle fest: Meine Ofenreise darf noch lange auf sich warten lassen!
Fazit:
Schwerindustrie, Trassen und Rheinschiffart – Dazwischen ein Fahrradherz – Das Fluppt!