RijnWaalPad – Dann geh doch zu Holland!
RijnWaalPad – Dann geh doch zu Holland! Die Region Arnheim – Nimwegen ist eines der größeren städtischen Gebiete der Niederlande. Arnheim, die Hauptstadt der Provinz Gelderland und Nimwegen, die älteste Stadt der Niederlande, bilden das Herz dieser besonderen Rhein-Waal Region, nahe der deutschen Grenze. In ihr, schon fast wie ein eigenes Straßenkunstwerk, schlängelt sich eine rund 17 km lange Verbindungsstraße für Radfahrer, mit dem Namen RijnWaalPad. Wo der ein oder andere mit der Namensendung „Pad“, einen Pfad oder eine schmale Straße in Verbindung bringt, zeichnet sich jedoch der Rijnwaalpad als eine echte Fahrradautobahn aus.
Wie auch in der Kunst ist die Interaktion wohl das Schlüsselwort meiner heutigen Fahrt zwischen den zwei niederländischen Städten. Besuche ich auf der einen Seite den RijnWaalPad, so möchte ich auf der anderen auch ein wenig die Streetartkultur in Arnheim kennenlernen. Interaktion bezeichnet grundlegend ein wechselwirkendes Handlungsverhältnis. In den Sozialwissenschaften und insbesondere in der Kommunikationspsychologie ist der Interaktionsbegriff von zentraler Bedeutung und beschreibt die gegenseitige Beeinflussung im Hinblick auf ihr Verhalten. Zu gerne lasse ich mich heute auf einem Sonntag beeinflussen und schon um 8:00 Uhr am Morgen stehe ich mit meinem Bike in Nimwegen auf einem Parkplatz, nahe des RijnWaalPad.
Hier beginnt für mich der Roadtripp auf einer Eisenbahnbrücke, dem sogenannten „Snelbinder“ von Nimwegen. Nur über eine Treppe gelange ich vom Parkplatz auf die Brücke und oben angekommen zeigt sich der „Snelbinder“ schnell in seiner waren Pracht.
Wurde früher die Fachwerkbrücke ausschließlich für den Eisenbahnverkehr genutzt, so wurde im Jahr 2003 eine komplette Bahn seitlich für Radfahrer und Fußgänger angeheftet. Das Wort „Snelbinder“ kann im deutschen gerne als Zurrgurt oder Spanngurt übersetzt werden und ich finde das dieser Name wunderbar zu den technischen Gegebenheiten passt. Die Baukosten beliefen sich seiner Zeit auf ca. 25 Millionen Euro und die reine Bauzeit betrug gerade mal 1 JAHR! 10.000 Fahrräder passieren täglich die Brücke. Tendenz steigend!
Auch das Wetter scheint zu diesem Zeitpunkt seine Gegebenheiten sprunghaft zu ändern. In der Hoffnung nicht von einem Regen überrascht zu werden, fahre ich in Richtung Ortschaft Lent, wo der Radschnellweg zunächst durch ein Wohngebiet führt. Bis zum Ortseingang Lent *(Tourtipp: „Veur Lent“ ein Kaiserschnitt in die Natur.) ist der Radfahrer der alleinige Verkehrsteilnehmer. In Lent teilen sich alle anderen Verkehrsteilnehmer die Straße, ohne das der Radfahrer jedoch an Priorität verliert!
Sobald man jedoch die Ortschaft passiert hat, ist man sozusagen wieder „King Of The Road“ und es ist wirklich beeindruckend zu sehen, wie wunderschön dieser RijnWaalPad verläuft. Nahezu erhaben fährt man auf dem roten Belag, abseits des normalen Verkehrs. Schnell wird es sehr ländlich und die flache Region bietet einen weiten Blick in die Natur. Auffallend ist die Beleuchtung des Weges. Die Form der Laternen zeigt das Logo des RijnWaalPad . Da wo die Logo-, Kettenglieder aufeinandertreffen und in der Realität mit einer Kettenniete zusammengehalten werden, befindet sich jeweils eine LED Leuchte, dessen Licht je nach Wunsch farblich verändert werden kann.
Eine weitere kleine Ortschaft auf dem Weg nach Arnheim heißt Ressen. Auch hier wird der RijnWaalPadkurzweilig unterbrochen. Da Ressen jedoch so winzig ist und außer einer Kirche und diversen Obstfeldern nicht allzu viel zu sehen ist, fällt die Unterbrechung kaum ins Gewicht.
Da die Hauptstraßen vor Bebauung des RijnWaalPad zwischen den beiden Städten via PKW so stark befahren waren, blieben lange Staus kaum aus. Ein attraktiver Schnellweg für Radfahrer sollte die Chance ergreifen, viele Pendler auf das Fahrrad umsteigen zu lassen. Man verkürzte die Distanz in die man bereits existierende Straßen integrierte oder neue Streckenabschnitte baute. Das machte den RijnWaalPad schnell attraktiv und dank der Priorität vor dem motorisierten Verkehr, stellt die “rote” Strecke bereits heute die schnellste und wichtigste Radwegverbindung der Region dar. Auch hat man sich zum Thema Attraktivität etwas Besonderes und unverwechselbars einfallen lassen. Eine Interaktion zwischen Radfahrern und Radweg! Kurz hinter Ressen gibt es auf dem RijnWaalPad eine mächtige Doppel-Unterführung zur Autobahn A15. Vor und in dieser Unterführung hat man eine interessante und aufwendige Kunst- Lichtkonstruktion installiert. Auch in Form des Ketten- / RijnWaalPad– Logo, leuchten diese LED Lampen an Wand und Decke in unterschiedlichen Farben. Mit einer speziellen App “Bicycle Buddy” kann der Radfahrer die Farben der Lichter bei Durchfahrt selbst wählen. Je öfter man durch die Unterführung fährt, je mehr Farben stehen dem Radfahrer zur Verfügung. Ein Video zur App gibt es HIER. Somit bekommt das Wort Smart-Cyclingroad eine ganz neue Bedeutung! Gesamtkosten der Unterführung: 4.620.000 EUR.
Als besonders gut gelungen, empfinde ich die weiterführende Strecke an der Autobahn. Hier hat man nicht willkürlich einen Schnellweg hingeknüppelt, sondern man hat die Entstehung des Weges, die vorhandene Geschichte der Region (Auch das Kapitel aus dem 2. Weltkrieg) und Prozesse aus der Gegenwart vorzüglich integriert. Der Vierdaagsewald (niederländisch: De Vierdaagsebos – DE 4DAAGSE = Viertagesmärsche, die größte Laufveranstaltung der Welt) wurde anlässlich der 100. Nijmegen Vierdaagse 2016 angelegt. Die „DE 4DAAGSE“ Stiftung legt großen Wert auf Nachhaltigkeit und grüne Wanderwege. Aus diesem Grund wurde der Vierdaagsebos während der Nationalfeier des Boomfeestdags 2014 im Park Lingezegen gepflanzt. Grundschulkinder pflanzten hier mehr als 3000 Bäume und Sträucher. Die jungen Bäume werden in den kommenden Jahren zu einem wunderschönen neuen Wald wachsen, an dem jedes Jahr tausende von Viertagesläufern vorbeiziehen werden.
Ein paar Kilometer weiter kann man auch schon den Pocketpark Ydille bestaunen. Dieser Westentaschen-Park, auch Taschenpark bzw. Pocketpark ist ein kleiner Freiraum im städtischen Kontext, der gärtnerisch sehr angenehm gestaltet worden ist. *( Tourtipp: Die Minze der Liberation)Und direkt dahinter ein Monument welches an den 2. Weltkrieg erinnern soll. >>Das Monument mit dem Namen „Der Flügel“ zeigt einen sieben Meter hohen Stahlflügel, der schräg aus der aufgewühlten Erde herausragt. Eine Metapher für diejenigen, die sich noch nicht von den Eindrücken des Krieges befreien konnten. Ende September 1944 scheiterte in der Betuwe die Operation Market Garden. Die Front verharrte am Ufer der Linge. Die Kriegsgewalt entlud sich in beidseitigem Granatbeschuss, Patrouillen und erbittertem Nahkampf. Gleichzeitig wurden die Zivilisten evakuiert.
Erschwert wurde die Lage durch Überflutungen: Als die Deutschen den Rheindeich bei Elden sprengten, stand ein Großteil der Betuwe unter Wasser. Aus dem „Niemandsland“ wurde ein „Niemands Gewässer“. Erst Anfang April 1945 endete der Krieg in der Overbetuwe. Nach einer endlos langen Evakuierung-zeit kamen die Zivilisten zurück in ihre zerstörten und geplünderten Häuser. Blindgänger stellten dabei eine stetige Gefahr dar. Aber es gab wieder eine Perspektive. Der Wiederaufbau konnte beginnen<< Quelle: Liberation Route Europe Foundation
So langsam komme ich an den Stadtrand von Arnheim an. Hier heißt der Stadtteil Rijkerswoerd. Fast 13.000 Einwohner zählt dieser Teil und interessanterweise bekommt man auf dem Rijnwaalpad so gut wie nichts davon mit. Ganz in Gegenteil. Eine kleine besonders bunte Oase am Rande des Weges erhält meine Aufmerksamkeit. Es ist ein Stück Feld wo gegärtnert wird! Neben der geleckten „roten“ Straße, die hier Fachmännisch gekennzeichnet durch die Ortschaft Rijkerswoerd führt, wirkt der „Gärtnertrupp“ schon fast surreal!
Weiter geht es über ein paar Deichen entlang Malburgen und schon nach kurzer Zeit erreiche ich wohl die berühmteste Brücke der Niederlande. Die Brücke von Arnheim. (Heute: John – Frost – Brücke) Die Brücke war im Zweiten Weltkrieg Gegenstand in der Schlacht um Arnheim. Im Rahmen der größten Luftlandeaktion der Alliierten, mit dem Decknamen: Operation „Market Garden“, *( Tourtipp: Highway to Hell – Operation Market Garden) war es leider eine gescheiterte Aktion hinter den deutschen Linien im September 1944. Die Brücke erreichte eine so große Bekanntheit in der Geschichte des 2. Weltkrieges, dass sogar 1977 ein Film mit dem Titel“ A Bridge Too Far“ mit Sean Connery vor Ort gedreht wurde.
Spätestens jetzt ist aber an der Zeit, Arnheim und seinen Stadtkern kennenzulernen. Mein Ziel war ja heute die Streetart Kultur zu entdecken. Für viele Menschen ist Streetart oder Graffiti leider nur ein bloßes Geschmier. Heute möchte ich aber gerne zeigen, welch ein enormer Stellenwert die offene Kunst hier in dieser wunderbaren Stadt hat.
Streetart und Graffiti sind zwei verschiedene künstlerische Disziplinen, denen gemeinsam ist, dass beide öffentliche Kunstformen sind. Streetart ist in der Regel legal und wird von Künstlern oder besser gesagt ausgebildeten Künstlern gemacht. Graffitis hingegen sind in den meisten Fällen illegal, bezeichnet man sie auch als urbane Volkskunst, die in den 70er-Jahren entstanden ist. Bei Graffitis geht es in erster Linie darum, seinen Namen überall anzubringen. Streetart kann alles, Graffiti folgt bestimmten Regeln!
Einer der wohl bekanntesten Streetartkünstler aus Arnheim ist „DOPIE DSK“ >>DSK: Das Graffiti-Künstlerkollektiv Dope Style Kings (DSK) wurde 1988 gegründet und ist zu einer der angesehensten Graffiti-Crews der Niederlande geworden. Die DSK besteht hauptsächlich aus niederländischen Künstlern, aber auch aus Künstlern aus den USA, Italien, Japan und Thailand. In den frühen neunziger Jahren, als das Malen von Zügen und U-Bahnen immer beliebter wurde, zeigte sich die DSK als einer der Hauptakteure der niederländischen Graffiti-Szene. Aufgrund seiner hochkarätigen Graffitikünstler und starken individuellen Stile hat der DSK auch internationale Anerkennung erlangt.<< Quelle: dopestylekings.nl
DOPIE hat an verschiedenen Stellen von Arnheim seine sehr farbenfrohe Streetart platziert. Wo auf der einen Seite ein Eichhörnchen eine kleine Gasse verschönert, so bezieht am Eingang des Arnheimer Bahnhofs eine gesamte Hauswand seine Kreativität. Nicht nur DOPIE ist Teil der vielen Bilder im Stadtkern. Viele überdimensionale oder versteckte Bilder zieren den Stadtkern. Jedes Bild hat seine eigene Message und wer sich darauf einlässt, kann sich so manchen Gang ins Kunstmuseum sparen!
Auch andere tolle Streetart Elemente lassen sich sehr einfach finden. Street – Art – Cities hat sogar eine Online –Karte mit App entwickelt, um das schnelle Auffinden der Bilder via Routenführung zu gewährleisten! Hier geht es zur Karte. Was die wenigsten wissen: Mitten in Arnheim liegt auch die größste Kunst- Skulptur der Niederlande. Warum sie liegt, erfährst du im Tourtipp: Arnheim Süd – Sein oder Nichtsein
Als vorläufiges Ziel vom RijnWaalPad steht natürlich der neue Bahnhof von Arnheim im Vordergrund. Würde man die Strecke des RijnWaalPad mit der Form eines Tennisschlägers vergleichen so befände ich mich jetzt an dessen oberen „Spitze“. Was mich vom Ex und Interieur her, mehr an einen Flughafen erinnert ist aber tatsächlich „nur“ ein Bahnhof.
Aber es ist DER Bahnhof! Baukosten: 37,5 Mio. Euro. Es ist unglaublich was auch in der Region Gelderland ohne mit der „Wimper zu zucken“ aus der Erde gestampft wird. Als wenn Geld keine Rolle spielen würde! Vergleiche ich eine Stadt wie Arnheim oder Nimwegen mit ihrer Umgebung, mit einer gleich großen Stadt aus NRW, so weiß ich manchmal nicht so genau, ob ich mich Fremdschämen, oder mich in meiner Unwissenheit besser selber erdrosseln soll. Wenn ich manchmal von meinen Touren erzähle oder von verschiedenen Städten aus den Niederlanden berichte, erkenne ich schnell bei meinem Gegenüber einen Blick der mir auf bester “Netto” Werbemanier totzig suggeriert: DANN GEH DOCH NACH HOLLAND!
Einen weiterführende Link über den Bahnhof in Arnheim findest Du HIER.
Arnheim ist aber auch bekannt durch seine Trolley Busse. Der sogenannte Oberleitungsbus hat keinen Verbrennungsmotor. Er bezieht seinen Fahrstrom durch Stromabnehmern aus einer über der Fahrbahn gespannten Oberleitung. Oberleitungsbusse sind spurgebunden, aber nicht spurgeführt. Wo viel Städte sich bereits in der jüngeren Vergangenheit unglaublich teure Elektrobusse auf Batterie Basis angeschafft haben, um festzustellen, das diese Art der Technik noch keine 100%ige Reife erlangt hat, fährt seit dem 05.09.1949 in Arnheim ein großer Teil des ÖPNV unentwegt täglich mit seinen Trolleybussen!
Ich verlasse das Bahnhofsviertel und trete meine Rückreise an. Ich passiere den Jachthafen Nijesyl und den merkwürdig anmutenden Parkplatz „De Blauwe Golven“ welcher mich an einer typischen Bausünde aus den 80er Jahren erinnert. Ein alter Krankenwagen aus einem Militärbestand parkt einsam zwischen den blauen “Wellen“. Hier ist es ein wenig gruselig!
Über die Nelson Mandela Brücke fahre ich an Malburgen – West vorbei, bis ich den Gelre Dome, die Arena von Arnheim kreuze. Hier heißt die Straße Kleijdikpad.
Überquert man die Autobahnbrücke Brinsestraat so kommt man über den Huissensedijk wieder zurück auf den RijnWaalPad. Von dort aus verläuft die Strecke in entgegengesetzter Richtung zurück zu meinem Startpunkt in Nimwegen.
Fazit:Wo der RijnWaalPad schon für sich alleine als Street Art bewertet werden kann, bietet er immer aufs Neue dem Radfahrer eine besondere Interaktion an. Auch mich hat die Strecke mal so richtig abgeholt! Wer eine triste Schnellradstrecke sucht, der sucht vergebens! Der Nachteil als Tourist : Ich werde zum Schleicher, zum Genießer, fast nicht mehr fähig eine Fahrradautobahn richtig zügig Nutzen zu können. Die 17 Millionen Euro Baukosten können sich jedoch sehr gut sehen lassen! Arnheim selbst ist wunderschön. Auch wenn die Stadt eine ehrfürchtige Geschichte hat, die an allen Ecken und Kanten zur Wiedererinnerung aufruft, so lassen die großen Streetart Bilder und die modernen Gebäude die Stadt außergewöhnlich, liberal und unglaublich cool wirken.