100 Jahre Beuys – Ein Schwank aus der Jugend am linken Niederrhein
100 Jahre Beuys. Was für eine Headline – was für ein Kult! >>Jeder Mensch ist ein Künstler<< Ein Zitat, welches wohl oft genug falsch verstanden wurde. Joseph Beuys, ein deutscher Aktionskünstler, Bildhauer, Zeichner, Kunsttheoretiker – ein niederrheinisches Gesamtkunstwerk welches verhasst oder vergöttert wurde. Viel Zwischenspielraum gab es nicht, denn durch seine zahlreichen Aktionen, Installationen, Vorträgen und Interviews war er ein Unikat, ein Tester ein Macher. Allzeit kontrovers aber seiner „speziellen“ Linie stets treu.
Mit der “speziellen” Linie hats auch der Niederrhein bei Kleve, wo Beuys in seiner Jugend aufwuchs. Hier ist die Natur der Macher, fern von Industriekultur oder kosmopolitischen Flair. Zeit die Region mit dem Fahrradherz zu besuchen – kennenzulernen und zu Verstehen.
Das Wetter ist sonnig und die historischen Gartenanlagen laden zum Verweilen ein. Mit dem Blick auf den Obelisken und das Amphitheater am Springenberg startet meine heutige Tour in Kleve an dem Ort, wo Beuys in seinen jungen Jahren nur ein paar hundert Meter entfert im “Stillen Winkel”, gewohnt hat.
Kurz dahinter beginnt schon die kleine Ortschaft Donsbrüggen. Markant und etwas abseits gelegen das heutige Schloss Gnadental. Einst 1481 erbaut als Augustinerkloster, dient es heute als Tagungshotel. Eine lange alleenartige Einfahrt stellt den offiziellen Eingang. Fährt man direkt hinter dem Gebäude und unterfährt das sogenannte „Taubenhaus“ so gelangt man rückwärtig über die Felder zur alten Mühle.
Hier beginnt auch der Kern der Düffelt, einer deutsch-niederländische Kultur- und Naturlandschaft, die die gesamte Rheinniederung unterhalb des Niederrheinischen Höhenzuges zwischen Kleve und Nijmegen umfasst. Die Düffelt ist ein einzigartiges Poldergebiet welches sich aus jüngeren Auenablagerungen aus der vorletzten Eiszeit, vor 200000 Jahren gebildet hat. Ein besonderes Winter-Highlight sind die schier unzähligen Wildgänse die hier vor Ort rasten, oder aus dem fernen Sibirien mit einem mächtigen Dauergetöse überwintern. Nils Holgerson wäre schwer beeindruckt. Zur jetzigen Jahreszeit sind aber vielmehr die Kraniche, Fischreiher und Störche die Platzhirsche auf den Wiesen und Feldern.
Ich passiere die Ortschaft Mehr. Neben einer zweiten Mühle findet man hier auch den alten Rittersitz Burg Zelem. Mittlerweile saniert und im Privatbesitz liegt diese Burg ziemlich versteckt auf einer Erhebung. Versteckt und Windgeschützt durch mächtige Hecken liegen auch links und rechts von den Wegen die eigentlichen Feld- und Wiesenparzellen. Kopfweiden und große Pappeln sind zusätzlich ein typisches Merkmal der Düffelt.
Eine junge Pappelallee begleitet mich in Richtung Kranenburg. Nicht nur ein Storch stellt sich hier zur Show – Nein, in Kranenburg (Februar 1953) fand auch Beuys erste Einzelausstellung im Bauernhaus van der Grinten statt – ein Meilenstein. Die Ausstellung „Joseph Beuys. Plastik, Graphik“ umfasste 85 Zeichnungen, Holzschnitte und Skulpturen. Heute steht das ehemalige Haus zum Verkauf.
Kranenburg selbst ist eine kleine Grenzstadt und ein Wallfahrtsort. Auch ich als gebürtiger Kranenburger freue mich mit dem Radel meine alte Heimat besuchen zu dürfen. Neben der eigentlichen Tour, fahre ich durch viele kleine Gassen, über den Rütterswall und an meiner alten Grundschule entlang. Als Kinder sind wir hier gerne „Ströpen“ (Spielen / Streunern) gegangen, und die eine oder andere Ecke, hat sich bis heute tatsächlich nicht verändert. Ich komme an der Rückseite vom Katharinenhof im Zentrum an der Mühlenstraße aus. Dieser Hof ist das Museum von Kranenburg. Auch hier werden regelmäßig Werke von Joseph Beuys ausgestellt. Auch der Friedhof von Kranenburg, wo die van der Grinten begraben sind zeigt einen Grabstein „Made by Beuys“.
Ich verlasse die Stadt Kranenburg, und fahre in Richtung Wald. Mit einem letzten Blick über die Düffelt geht es ab jetzt ordentlich Berg auf und Berg ab. Einige Waldpassagen sind noch ziemlich matschig, aber mit etwas Spucke und Kraft erreiche ich nach kurzer Zeit den Waldsaum des Dorfes Frasselt. Hier inspieriert der weite Blick vom Waldsaum und der Wind hat einen besonderen Geruch für das Landleben in petto.
Es folgen weiter kräftige Anstiege und ehe ich mich versehe befinde ich mich auch schon auf dem Höchsten Punkt der Stadt Kleve. Wer jetzt noch glaubt der linke Niederrhein wäre platt wie eine Briefmarke der kann sich spätestens vom morgigen Muskelkater eines besseren belehren lassen 😉
>>Exakt 99 Meter hoch ist der Klever Berg und damit ist dies nicht nur die höchste Erhebung im hügeligen Stadtgebiet, sondern auch der höchste Berg am gesamten unteren Niederrhein. Auf seiner Spitze ließ Fürst Johann Moritz von Nassau-Siegen zusätzlich noch einen sechs Meter hohen Aussichtshügel aufwerfen. Heute steht hier der Aussichtsturm und bietet dem Besucher einen Rumdumblick über das Klever Land. Bei gutem Wetter sieht man im Nord-Westen die niederländische Nachbarstadt Nimwegen, die Flüsse Waal und Rhein, im Norden den Eltenberg und die Höhe von Montferland bei ‘s-Heerenberg, im Süd-Osten die Türme des Sankt Viktor-Doms von Xanten und im Süden und Westen Goch und den Reichswald. >> Quelle: kleve-tourismus.de
Ich “Düse“ abwärts in Richtung – Stadtzentrum. Neben dem Narrenbrunnen befindet sich der gefallene Ritter von Ewald Mataré. Und gleich um die Ecke die Schwanenburg in ihrer gesamten Größe. Über den Prinzenhof komme ich später zu einer weiteren Parkanlage. Hier ist aber erstmal Pause angesagt. Es gibt viel zu sehen und auch die Schwanenburg will einmal umfahren werden.
>>Die Schwanenburg ist das Wahrzeichen der Stadt Kleve in Nordrhein-Westfalen nahe der niederländischen Grenze. Sie wurde vermutlich im 11. Jahrhundert von den Grafen und späteren Herzögen von Kleve auf einem spornartigen Ausläufer des Niederrheinischen Höhenzuges erbaut und ist somit eine der wenigen Höhenburgen am Niederrhein. Ihr Burgberg war namensgebend für die später entstehende Siedlung: Aus Cleef (für Kliff, Klippe) wurde Kleve. Den Namen erhielt sie wegen ihrer Wetterfahne in Gestalt eines großen Schwanes, dessen Flügel die Helmzier des herzoglichen Wappens waren.[1] Die Anlage wurde auch het slot von Cleef genannt, und auch wenn es der Name nahelegt, handelt es sich bei der Schwanenburg nicht um eine Burganlage, sondern um ein durch Umbauten einer Burg im 17. Jahrhundert entstandenes Schloss im Stil des Barocks<< Quelle: Wikipedia
Nach einer kleinen Stärkung fahre ich weiter. Ich erreiche die Cupido-Säule, die Ausgangspunkt für Beuys Werk „Straßenbahnhaltestelle“ Tramstop / Fermata del Tram, 1961–1976, A Monument to the Future“ (so der vollständige Titel) war. Die Cupido-Figur, (cupido – lat. “Begierde”) der Liebesengel mit Pfeil und Bogen, hat jedoch (soweit ich es beurteilen kann) nichts mit der Inspiration von Beuys zu tun. Viel mehr ist es die Säule und das Fundament, welches ich bewusst nicht fotografiert habe. Die Überrschung belasse ich beim Besucher!
Weiter geht es in Richtung Bedburg -Hau. Zuerst zum Moritzgrab, später durch das Gelände der LVR Klinik. >> Die LVR-Klinik Bedburg-Hau stellt heute eine der größten Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen zur Behandlung, Betreuung und Pflege psychisch und neurologisch erkrankter Menschen dar. Die Einrichtung verfügt Ende 2015 über ca. 855 Betten und beschäftigte etwa 1.700 Mitarbeiter. Die ca. 100 Gebäude der Klinik liegen in einem etwa 80 ha großen wald- und parkartigen Gelände mit einem dichten, teilweise sehr altem Baumbestand, Rasenflächen und Blumenbeeten. Zwar gibt es innerhalb der Einrichtung auch geschlossene Abteilungen, doch da das Gelände der Klinik ansonsten öffentlicher Verkehrsbereich ist, können nicht nur Patienten, Bewohner und Besucher sondern auch die Anwohner hier Ruhe und Entspannung finden<< Quelle : LVR
Eine neue lange Waldpassage mit leichtem Anstig kündigt sich an. Es ist der Voltairweg im Moylander Bruch. Bis zum Katzenbuckel führt die Waldpassage über Stock und Stein. Eine alte Scheune die gerade renoviert wird, zeigt deutlich wie ohne Nagel oder Schrauben ein Dachstuhl gebaut wurde. Eine sehr bemerkenswerte (Handwerks-) Kunst!
Ich erreiche das Epizentrum der Beuys Ausstellung. Schloss Moyland. >>Das Schlossgebäude beherbergt heute die Kunstsammlung der Brüder Hans van der Grinten und Franz Joseph van der Grinten, die sie in über 50 Jahren zusammengetragen und in die Stiftung Museum Schloss Moyland eingebracht haben. Die umfassende Sammlung enthält Exponate aus dem 19. und 20. Jahrhundert, unter anderem Werke von Erwin Heerich, Willem den Ouden, Rudolf Schoofs und Hermann Teuber. Einen wesentlichen Schwerpunkt der Sammlung bildet der nahezu 5000 Arbeiten umfassende und damit weltweit größte Bestand an Werken von Joseph Beuys. Im eigens geführten Joseph Beuys Archiv, das An-Institut der Kunstakademie Düsseldorf ist, werden außerdem weit über 200.000 Archivalien und Dokumente zu Leben, Werk und Wirken des Künstlers aufbewahrt. Forschern steht darüber hinaus auch die mehr als 60.000 Medien umfassende Museumsbibliothek der Stiftung zur Verfügung.<< Quelle: Wikipedia
Hier kann sich der Beuys Liebhaber austoben, die Werke inhalieren, und einiges über Fett kennenlernen. Fett war ein Werkstoff den Beuys gerne nutze. Unter denjenigen die damit nichts anfangen können, hatte der Künstler auch einen bösen Spitznamen weg. Als Fettspinner und Verrückter gehasst, bei den “Kennern“ als Prophet und Genie gefeiert! Leider hatte ich nicht die Möglichkeit näher an Schloss heranzukommen. Daher blieb mir nur eine hübsche Aufnahme aus der Ferne.
Mit dem Radel ist es schon spannend die Natur kennenzulernen. Immer wieder frage ich mich was den besonderen ” Niederrheinischen Reiz” ausmacht. Und ich habe keine wahrhafte Antwort.
Man mag es, oder man mag es nicht! Das ist wohl der einfachste Lösungsansatz den ich mir stelle kann. Aber vielleicht sehen wir unsere Heimat gerne mit aus einem besonderen Blickwinkel. Hans Dieter Hüsch sagte eins über Beuys: >>Wenn ich mir heute ein Jugendbildnis von Joseph Beuys ansehe’, das mit dem weißen Hemd und dem offenen Kragen, wo er so vor sich hinblickt, das ist das niederrheinische Auge, das bis in die letzten Winkel der Welt sieht.>>…. Irgendwie passend – So ähnlich jedenfalls! 😉
Durch die Felder und entlang den “Schutzdeichen” erreiche ich die kleine Ortschaft Huisberden. Viel Radfahrer kommen mir entgegen. Die Wildwiesen stehen in voller Blüte und überall duftet es nach Raps oder nach frisch gemähten Gras. An den Höfen ist es der Geruch der Silage der einfach unverkennbar ist. Die Hühner gackern und die Kühe weiden so wie sie es immer machen. Heile Welt?
Meine Tour bringt mich wieder in Richtung Kleve. Von weiten sehe ich die “Skyline“ und nach ein wenig innerstädtischen Verkehr erreiche ich wieder die historischen Gärten von Kleve. Das Kurhaus Museum gegenüber der Joseph Beuys-Alle ist auch gleichzeitig mein Endpunkt. Im Museum hatte Beuys ein Atelier, welches nun öffentlich zugänglich ist. Vielleicht wäre das mal ein neuer Ausflug Wert… Ganz ohne Fahrrad.
Fazit: Welch eine fantastische Tour durch die Niederrheinische Landschaft. Ich für meinen Teil sehe, das die Natur wohl unser größter Künstler bleibt. Beuys hingegen sagt: >>Jeder Mensch ist ein Künstler<<, ich sage: >>Jeder Mensch ist ein Beuys!<<